Interkulturelle Projektarbeit

Kulturenübergreifende Pflegekompetenz bewiesen
Examenskurs der Senio-Altenpflegeschule präsentierte interkulturelles Projekt

Reinheim. Sensibel und politisch hoch aktuell war das Thema der diesjährigen lernfeldübergreifenden Projektarbeit des Examenskurses K 32 der Senio-Altenpflegeschule gewählt: Die Schüler präsentierten am vergangenen Donnerstag ihre selbst erarbeiteten, individuellen Pflege- und Betreuungsplanungen basierend auf fiktiven Biographien Pflegebedürftiger mit verschiedener kultureller Herkunft.

Die Projektarbeit der Examenskurse mit anschließender Präsentation der Ergebnisse ist bereits Tradition an der Senio-Altenpflegeschule und verknüpft die verschiedenen Lernbereiche praxisnah miteinander. Kursleiter Alexander Göckel wollte mit seiner Themenwahl in diesem Jahr neue Schwerpunkte setzen und zeigen, welche Schicksale mit den Senioren in den Pflegeeinrichtungen verbunden sein können, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich, für das Verständnis bei der Betreuung und Versorgung aber wichtig sind.

Da die Wurzeln der Schüler selbst in unterschiedlichen Glaubensrichtungen liegen, konnten die Schüler schon aus ihrer eigenen Biographie einen Zugang finden. Schulleiter Dieter Stuckert sprach dabei von der Herausforderung die „Tradition als Weitergabe des Feuers im Gegensatz zur Verehrung der Asche“ zu verstehen: „Die Schüler setzten bei der Lösung ihrer Aufgaben auf interkulturelle Zusammenarbeit. Sie zeigten, wie wichtig das Wissen um die Herkunft sowie das Verständnis für die Senioren im Hinblick auf eine ganzheitliche Pflege ist.“ Gleichzeitig freute er sich zusammen mit Ulla Beer, ebenfalls Schulleiterin, über den großen Zuspruch aus der Praxis: Neben Ausbildern und Einrichtungsleitern nahmen selbst ehemalige Absolventen der Altenpflegeschule an diesem Tag teil. Zudem betonten die Schulleiter, dass die lernfeldübergreifende Unterweisung zu einer umfassenden Bedarfserfassung führte, bei der die Tagesgestaltung genauso wie die individuelle Pflege und die Essensplanung berücksichtigt wurden.

Die Präsentation begann mit der Begrüßung und der Vorstellung der Gruppen durch Marleen Enders, Tamara Vosidek und Fernando Ferreira Costa. In Kleingruppen hatten die Schüler die Hintergründe der 77-jährigen Russland-Deutschen namens Kira, der 75-jährigen Türkin Ayse sowie des ebenfalls 75-jährigen Bernhard aus dem Odenwald recherchiert, die im Pflegeheim leben. In diese flossen individuelle Pflege-, Ernährungs- und Medikationspläne ein.

INterkulturelle Projektarbeit bei Senio

Die Teilnehmer des Examenskurses K 32 der Senio-Altenpflegeschule präsentierten am vergangenen Donnerstag ihre selbst erarbeiteten, individuellen Pflege- und Betreuungsplanungen basierend auf fiktiven Biographien Pflegebedürftiger mit verschiedener kultureller Herkunft. Foto: Senio Altenpflegeschule

Foto: Emmerich

Eine Gruppe hatte sich mit dem Leben der fiktiven Bewohnerin Ayse beschäftigt. Foto: Senio Altenpflegeschule

Die Auszubildenden präsentierten den geschichtlichen und religiösen Background der jeweiligen Personen, verwoben mit ihren eigenen Lebensdaten. Aus den sehr ergreifenden Biographien wurden anschließend von den Lehrgangsteilnehmern Ereignisse herausgegriffen und in einem Rollenspiel darauf Bezug genommen. Die Verbindung wurde dabei durch einen Brief oder Besuch eines Familienmitgliedes bzw. eines Freundes hergestellt.

Das erste Fallbeispiel wurde von Marleen Enders, Regina Hillenbrand, Natascha Narewsky und Ljubinka Veselova umgesetzt. Hier erhielt die eher zurückhaltende Kira zunächst einen ergreifenden Brief, wonach sie Essen und Pflege verweigerte. Am nächsten Tag kamen dann ihr Sohn und ihre alte Freundin Anna zu Besuch, welche beruhigend mit ihr redete, mit ihr betete und ihr die geliebten „Piroschki“ mitbrachte. Letztere fanden sich auch auf dem von den Schülern passend zum jeweiligen Fall gestalteten Buffet.

Foto: Emmerich

Auch das Leben des Odenwälders Bernhard wurde von den Kursteilnehmern unter die Lupe genommen und im Rollenspiel aufgegriffen. Foto: Senio Altenpflegeschule

Anschließend präsentierten Laura Paganini, Meryem Yorganci, Bianka Metzger und Fernando Ferreira Costa ihr Fallbeispiel um die Türkin Ayse, die Besuch von ihrer Tochter bekam. Auch sie hatten entsprechende landestypische Speisen und Getränke vorbereitet.

Ergänzend dazu wurde auch das Leben des Odenwälders Bernhard von Isabella Wolf, Dejan Schwinn, Tamara Vodisek und Jennifer Zegowitz näher beleuchtet, der aufgrund seiner familiären Vergangenheit zum Atheist geworden war und dem „Fußball“ huldigte.

Im Rollenspiel wurde eine Szene aus dem Leben
von Kira, einer Russlanddeutschen dargestellt.
Foto: Emmerich

Kursteilnehmer Fernando Ferreira Costa fasste zum Abschluss der Veranstaltung treffend zusammen, dass auch die Pflege zunehmend interkultureller werde und sprach den Wunsch aus, dass die Akteure und Zuschauer aus den Präsentationen auch etwas für die Arbeit in ihren Einrichtungen mitnähmen. Er ergänzte: „Bei den Rollenspielen haben wir auch auf kleine Details geachtet, z. B. dass der Koran erhöht, über der Gürtellinie, liegen muss. Es ist wichtig, die Menschen in ihrem Glauben, ihrer Nationalität und individuellen Person zu respektieren und jeden so zu nehmen, wie er ist.“

Kursleiter Alexander Göckel lobte die Präsentationen der angehenden Pflegefachkräfte als geschichtlich, biographisch und emotional treffend aufgearbeitet. Die inhaltlichen Schwerpunkte seien zu 100 Prozent erkannt und umgesetzt worden.

Ausbilder und Einrichtungsleiter zeigten sich gleichermaßen von den Projektarbeiten begeistert und gerührt, so etwa Leo Lauwers, Dozent für psycho-soziale Wissenschaften, der in seinem Kurs die fiktiven Lebensläufe von psycho-sozialer Seite her mit den Schülern aufgearbeitet hatte, und Gabriele Kerl, Dozentin für medizinische Fächer.

Weitere Informationen über eine Ausbildung an der Senio-Altenpflegeschule in Reinheim gibt es jederzeit hier sowie telefonisch unter 06162-9166900.